Der Turm der toten Seelen by Christoffer Carlsson

Der Turm der toten Seelen by Christoffer Carlsson

Autor:Christoffer Carlsson [Carlsson, Christoffer]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-10T23:00:00+00:00


16 Grim kehrte in einem der unauffälligen weißen Autos des Sozialamts aus Jumkil zurück. Das Wetter war schwül, und ich hatte erst kurz zuvor eine Straße weiter Vlad und Fred gesehen. Mir blieb die Luft weg, und ich fragte mich, was sie wohl in Salem machten. Jetzt saß ich auf einer Bank zwischen den Häusern der Triaden und versuchte, mich so lange unsichtbar zu machen, bis sie verschwunden waren.

Das Auto hielt an, und eine der hinteren Türen wurde geöffnet. Grim stieg mit seiner Tasche aus, derselben schwarzen Sporttasche, in der er an dem Tag, als wir uns kennengelernt hatten, das Luftgewehr gehabt hatte. Mir kam es so vor, als wäre das eine Ewigkeit her, doch in Wirklichkeit kannten wir uns erst weniger als ein halbes Jahr. Ein Mann mit Systembolaget-Tüte, schmutziger Kappe und verfilztem Bart saß in der Nähe auf einer anderen Bank. Er starrte erschrocken auf das weiße Auto, dann sammelte er seine Sachen zusammen, erhob sich auf wackligen Beinen und ging mit erkämpfter Würde davon.

Grim schlug die Autotür zu, und der Fahrer – es war ein Mann, mehr konnte ich nicht erkennen – drehte den Kopf, machte einen U-Turn und brauste davon, als hätte er woanders noch eilige Dinge zu erledigen. Grim fuhr zusammen, als ich aufstand, doch als er erkannte, dass ich es war, verwandelte sich die Verwirrung auf seinem Gesicht in ein Lächeln, und er hob die Hand. Ich erwiderte das Lächeln, doch seine Rückkehr fühlte sich für mich seltsam an, als hätte ich vorübergehend eine Freiheit genossen, die nun wieder durch eine Zwangsjacke ersetzt wurde.

Später gingen wir zum Wasserturm. Die Luft stand still, und die Sonne schien über uns. Die meisten Autos, die unten auf der Straße fuhren, waren mit Campingausrüstungen und Familie beladen, es war Ende Juli, und die Sommerferien waren noch lang. Grim trug ein kurzärmeliges Hemd und Shorts, wischte sich aber trotzdem immer wieder die Stirn mit dem Handrücken ab.

»Morgen fahre ich nach Uppsala«, sagte er.

»Was machst du da?«

»Jimmy treffen. Er sitzt immer noch im Knast.«

»Weißt du, wie es ihm geht?«

»Nein. Aber ich glaube, ganz gut. Zumindest geht es ihm besser als dem Typen, den er niedergestochen hat.«

Grim wollte zum Wasserturm gehen. Ich hätte lieber etwas anderes unternommen und wäre lieber an einen Ort gegangen, den ich nicht mit Julia in Verbindung brachte. Aber wir kletterten auf den Turm, und Grim ließ sich auf dem Absatz nieder, genau dort, wo ich vor ein paar Tagen gesessen hatte, nachdem sie ihren Slip ausgezogen und sich rittlings auf mich gesetzt hatte. Das fühlte sich so absurd, so unwirklich an.

»Was lachst du?«, fragte er.

»Was?«

»Du hast gelacht.«

»Ach so. Nein, nichts. Ich hab nur grad was Komisches gedacht.«

»Als wir uns im Lager gesehen haben«, begann Grim, während er eine Flasche Schnaps und zwei Gläser aus dem kleinen Rucksack, den er bei sich hatte, nahm, »da haben wir es nicht einmal geschafft, von dir zu reden.«

»Da waren andere Sachen wichtiger«, murmelte ich.

»Wie war dein Sommer?«

»Ganz gut. Irgendwie. Micke ist zu Hause ausgezogen. Papa und ich haben ihm dabei geholfen, und seither hat ihn keiner mehr gesehen.



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